Suchlinge & Findlinge

© HOLD&STEIN
Projektteam: Kurt Neuhold & Astrid Steinbrecher
Hold & Stein – Verein für Kunst und Kultur

Kooperationspartner*innen/Teilnehmende Jugendliche:Manfred Danzl, Berufsschullehrer BS Bau, verantwortlich für die Maurerlehrlinge
Petra Lux, Leiterin des „Siedlungstreffs Leberberg“

Projekt 1: Berufsschule für Baugewerbe – BS Bau, Kagran
Engincan Acar, El-Sudejs Asanoska, Mücahit Demirci, Omid Haidari, Mahdi Hosseini, Gloire Kanga, Rouzan Kassem Ajeel, Vanessa Matek, David Vasilkic
 
Projekt 2: „Siedlungstreff Leberberg“ – Verein Wiener Jugendzentren
Sukhmani, Yaren, Gülfen, Felix, Levent, Valerio, Raphi, Daniel, Fabian, Lea, Tamarisj, Delia, Baran, Sabina, Laura, Jin, Amelia, Aleksandra, Laura R., Maxi
Mit Unterstützung von:Gernot Kulle – Direktor der BS-Bau, Karl Krammer – Direktor der WMS Leipziger Platz
Hannes Derfler – Bezirksvorsteher 1200 Wien, MA 56

Projektidee

„Suchlinge & Findlinge“ ist ein partizipatives Kunstprojekt, bei dem Jugendliche unter professioneller Leitung und Begleitung von Mag.ª Astrid Steinbrecher (Steinmetz- und Steinbildhauermeisterin, Diplombildhauerin) und Kurt Neuhold (DSA, freischaffender Künstler) Steinblöcke aus St. Margarethener Kalksandstein künstlerisch gestalten und die dafür notwendigen handwerklichen Kenntnisse erlangen. Jugendliche, als Suchende nach ihrem Platz in der Welt ,meißeln diese Suche in Symbolen und Formen in den Stein. Die Zeichen erzählen Geschichten vom Alltag und vom Stolz, angekommen zu sein - trotz vieler Kratzer, wie die Spuren auf Findlingssteinen, die während eisiger Zeiten von fernen Orten hierher transportiert wurden. Die Spurensuche junger Künstler*innen, gefunden und verewigt in einer Steinskulptur – aus Suchlingen werden Findlinge.

Projektverlauf

Die „Berufsschule für Baugewerbe“ und der „Siedlungstreff am Leberberg“ konnten als Kooperationspartner gewonnen werden. Durch Corona und die damit verbundenen Lockdowns und Kontaktbeschränkungen gab es einige Anlaufschwierigkeiten.

Ende Mai 2021 wurden drei große und mehrere kleine bruchraue Kalksteinblöcke aus St. Margarethen in die Berufsschule transportiert; am 31. Mai 2021 konnten wir endlich mit der künstlerischen Projektumsetzung beginnen. Bis Mitte Juli gestalteten wir mit den Lehrlingen in einem intensiven partizipativen Arbeitsprozess die Steinblöcke; Fein- und Abschluss-arbeiten an drei großen und mehreren kleinen Steinen fanden im Herbst statt. Astrid Steinbrecher und Kurt Neuhold waren für den Ablauf, die künstlerische Gestaltung und fachliche Anleitung zuständig, Manfred Danzl implementierte die künstlerische Arbeit in das Ausbildungsprogramm der Maurer*innen. Er koordinierte die Workshop-Tage mit den Ausbildungsfirmen der Lehrlinge und übernahm auf einfühlsame, aber konsequente Art die pädagogisch strukturierende Betreuung der Teilnehmer*innen.
 
Anfang August 2021 platzierten wir einen großen und mehrere kleine Steine im Garten des Siedlungstreffs am Leberberg und begannen auch dort gemeinsam mit den Jugendlichen künstlerisch zu arbeiten. Das Betreuungsteam des Jugendzentrums fördert in dieser Stadtrandsiedlung das Zusammenleben und die Integration der Kinder und Jugendlichen mit attraktiven Freizeit- und Beschäftigungsangeboten. Von Seiten des Jugendzentrums wurde das Kunstprojekt sehr positiv wahrgenommen, weil auch „auffällige“ Jugendliche sehr engagiert mitarbeiteten – vielleicht weil durch den Kraftaufwand, der notwendig ist, um das harte Material zu bearbeiten, Aggressionen, Unruhe und Wut kanalisiert und abgebaut werden konnten. 

Nach lockdown-bedingten Verschiebungen konnten wir endlich im März 2022 die Kunstwerke der Öffentlichkeit präsentieren: im Park des Siedlungstreffs Leberberg, im Eingangsbereich der BS-Bau und zwei Skulpturen auf den Grünflächen vor der WMS Leipzigerplatz, die Bezirksvorsteher Hannes Derfler eröffnete. Wir bedanken uns für die Unterstützung bei den Direktoren der BS Bau und WMS Leipziger Platz, bei der Schulbehörde, MA56 und beim Team des Siedlungstreffs Leberberg.
 

Feedback der Teilnehmer_innen

Eindrücke und Statements BS Bau: Positiv das Interesse an uns und der Berufsausbildung; Erstaunen darüber, wie anstrengend künstlerische Ideenfindung & Gestaltung sowie die handwerkliche Steinmetztätigkeit ist, gleichzeitig Freude und Stolz darüber, was in diesem Arbeitsprozess geschaffen werden kann; großes Interesse an der öffentlichen Aufstellung und Sichtbarkeit der gemeinsam gestalteten Skulpturen; großes Interesse der Lehrerschaft der BS Bau an diesem Projekt sowie an Steinbildhauerworkshops innerhalb der Schule für Schüler*innen und Lehrende.
 
Eindrücke und Statements Siedlungstreff Leberberg: Große Begeisterung, die Arbeit mit Hammer und Meißel auszuprobieren; große Offenheit von sich, der Familie und dem Alltag zu erzählen und gleichzeitig darüber, auch etwas von uns zu erfahren. Es war schön zu beobachten, wie stolz die Jugendlichen auf ihre Kreationen im Stein sind und wie wichtig die Nennung ihrer Namen auf der Informationstafel ist; sehr positive Rückmeldung und unterstützende Betreuung des Projekts durch das Jugendtreff-Team.

Fazit

Fast alle teilnehmenden Jugendlichen haben einen migrantischen Hintergrund, viele mit schwierigen, teilweise traumatisierenden Erfahrungen. Alle haben sehr realistische Berufs- und Zukunftsvorstellungen. Verdienst, Berufsausbildung, Anstellung, Aufstiegsmöglichkeiten etc. stehen im Mittelpunkt; wenig wissen über die Möglichkeit zu studieren oder andere Aus- und Weiterbildungseinrichtungen zu besuchen.
Trotz nationalistischer Vorbehalte in der Gruppe war eine gute Zusammenarbeit der Projektteilnehmer*innen möglich.
 
Nicht nur am Leberberg waren die Identitäts- und Rollenfindung, die Mann / Frau-Thematik sehr präsente Themen. Bei den Lehrlingen standen oft Probleme in den Ausbildungsfirmen und vor allem mangelnde Wertschätzung, Ehre und Ehrverlust, das „nicht-ernst-genommen-Werden“ im Mittelpunkt. All diese Erfahrungen unterstreichen die Bedeutung der öffentlichen Präsentation der Kunstwerke und der Namensnennung aller Beteiligten auf den Informationstafeln zu jeder Skulptur.
 
Die Direktion der Berufsschule, einige Lehrende und das Team im Siedlungstreff am Leberberg sind an der regelmäßigen Durchführung von Kunstprojekten interessiert. Weitere Kunstprojekte wären eine wichtige und sinnvolle Bereicherung der Lehrlingsausbildung. Die Kreativität zu schulen und zu fördern ist sinnvoll; leider bleibt dafür viel zu wenig Zeit und Platz und es fehlt an den dafür notwendigen Ressourcen. Projekte und Erfahrungen außerhalb des beruflichen Umfeldes sind wichtig; die Entdeckung und Förderung der Kreativität wirkt sich positiv auf die Persönlichkeit, aber auch auf die Qualität der Berufsausübung aus.
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